Mit dem Amtsantritt als Frammersbacher Bürgermeister habe ich für mich festgelegt, mich parteipolitisch zurückzunehmen und keine örtlichen Ämter mehr in der SPD zu begleiten.
Seither halte ich mich meist aus politischen Diskussionen heraus, wenn sie nicht den Markt Frammersbach betreffen.
Allerdings ist es mir doch ein Anliegen in der aktuellen Situation einige Gedanken zu äußern. Dies betrifft in Teilen die deutsche Sozialdemokratie - aber auch das allgemeine Stimmungsbild.
In den vergangenen Jahren habe ich mich immer wieder mit Stellungnahmen zu aktuellen Entwicklungen in der SPD zu Wort gemeldet. Damit wollte ich Anregungen geben, Diskussionen fördern oder auch gelegentlich meinem Unmut etwas Luft verschaffen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat die SPD inzwischen zu einer Partei geschrumpft, die nur noch wenig stärkeren Zuspruch genießt, als FDP oder Grüne.
Bisher ging es mir um inhaltliche Themen, die für mich aber nie grundsätzlich die Parteimitgliedschaft in Frage gestellt haben. Ich muss aber offen sagen, dass für mich das Verhalten der SPD aktuell etwas grundsätzlicher gegen meine inneren Überzeugungen verstößt – und in meinen Augen auch gegen die Grundwerte der Sozialdemokratie.
Dazu einige Anmerkungen. Viele Mitglieder hadern seit Jahren mit der Politik unserer Partei - zumindest mit Blick auf die Bundesebene. Manches davon ist berechtigt, manches nicht.
Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass die SPD in meinen Augen in weiten Bereichen die Lebenswirklichkeiten der Menschen vor Ort aus den Augen verloren hat. Im vergangenen Jahr konnten die reichsten 10% der Bevölkerung ihre Vermögen wieder um 58 Mrd Euro steigern, während in Schulen Putz von den Wänden bröckelt oder das Personal in Polizeidienststellen ausgedünnt wurde.
Wenn man seit 1998 insgesamt 16 von 20 Jahren der Bundesregierung angehört, kann man nicht so tun, als hätte man mit dem nichts zu tun. Es wurden so viele Probleme nicht angepackt, dass es Populisten ein leichtes war die (von ihnen so titulierten) Altparteien und Flüchtlinge für ihre Propaganda zu nutzen. Dabei haben diese Probleme überhaupt nichts mit den Flüchtlingen zu tun!
Ich spreche es bewusst aus: die SPD hat am Erfolg der AfD einen gehörigen Anteil. Nicht zuletzt feiert diese Partei ausgerechnet in ehemalige SPD-Hochburgen große Erfolge.
Eigentlich müsste nun ein mutiges Gegensteuern erfolgen. Eine klare Abgrenzung gegen die Union und Anpacken der Probleme der Menschen vor Ort. Außer der positiven Ausnahme unserer Familienministerin Franziska Giffey herrscht allerdings Fehlanzeige. Das kann einen schon zur Verzweiflung bringen. Aber das ist alles noch irgendwie vertretbar und man kann weiter versuchen motiviert an die inhaltliche Erneuerung zu appellieren und, wo möglich, aktiv mitzuarbeiten.
Jedoch kann ich das an anderer Stelle nicht mehr. In der aktuellen Debatte um die Flüchtlingspolitik haben manche völlig den moralischen Kompass verloren. Die verbalen Ausfälle stammen nicht von Sozialdemokraten. Aber Sozialdemokraten regieren mit diesen Personen.
Schon im Streit zwischen den Unionsparteien zur Asylpolitik hat die SPD eine schwache Rolle gespielt. Sie ist schlicht untergetaucht. Dabei hätte man die Kanzlerin klipp und klar auffordern müssen, dies sofort zu beenden.
Dann kommt es zu einem Koalitionskompromiss. Als Antwort darauf veröffentlicht der Innenminister seinen eigenen Masterplan. Damit macht er deutlich, was er vom Kompromiss der Regierung hält - nämlich nichts. Wieder wird ihm kein Einhalt geboten. Als würde das nicht genügen, macht er dabei auch noch Witze über Abschiebungen. Mein Problem ist dabei nicht die Tatsache der Abschiebung, da ich schon lange fordere, dass geltendes Recht wieder konsequenter angewendet wird.
Mein Problem ist das Menschenbild, der offene Rassismus, der hier zum Ausdruck kommt. Und dazu höre ich von der Parteiführung - nichts. Es wäre umgehend die Entlassung Seehofers notwendig gewesen.
Auch von unserem Abgeordneten höre ich dazu keinen Ton.
So lange wir mit solchen Menschen regieren, so lange wir es mittragen, dass christliche und unsere sozialdemokratischen Werte so mit Füßen getreten werden, sehe ich mich außer Stande die SPD zu vertreten. Damit möchte ich nichts zu tun haben. Ein Otto Wels, ein Friedrich Ebert oder ein Willy Brandt müssen sich im Grabe umdrehen.
Ich weiß, dass die SPD einen vernünftigen 5-Punkteplan veröffentlicht hat. Der kam zwar spät, hat aber gute Ansätze. Aber wenn man bereit ist, aus angeblicher Verantwortung dem Land gegenüber, seine Regierungsverantwortung so zu interpretieren, dass man ein Scheitern der Regierung nicht riskieren will und deswegen mit diesen Populisten der CSU weiter zusammenarbeitet, wird man davon nicht viel umsetzen können.
Und man macht sich des Rechtsrucks mit verantwortlich. Verantwortlich ist man nicht nur für das eigene Tun, sondern auch für das, was man nicht getan hat.
Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass ich nicht die CSU an sich als populistisch ansehe. Dies betrifft hauptsächlich den Parteivorsitzenden und einige andere Führungskräfte. In der CSU melden sich inzwischen ja einige Stimmen zu Wort, die darauf hinweisen, dass das Handeln der letzten Wochen mit christlichen Werten nicht vereinbar ist. Leider ändert das nichts daran, dass der Innenminister und der Landesgruppenchef (die Hauptakteure) in einer Weise agieren, die völlig indiskutabel ist.
Als Parteimitglied einer der Regierungsparteien werde ich das Verhalten meiner Parteiführung in dieser Frage nicht länger akzeptieren. Ich werde nicht austreten, da mir die Grundwerte dieser Partei einfach wichtig sind. Allerdings kann ich die SPD, ihre Gremien oder Aktivitäten momentan nicht offen und offensiv unterstützen, solange das Verhältnis zu den populistischen Teilen der Bundesregierung nicht geklärt ist.
Ich bin in vielen Fragestellungen der inneren Sicherheit näher an Otto Schily, als an Heiko Maas oder Katarina Barley. Aber immer mit einer klaren Abgrenzung zum Inhumanen. Menschenrechte, die Würde des Menschen und europäische Werte spielen für Teile der Bundesregierung und der Unionsfraktion keine wichtige Rolle. Für mich sind sie der rote Faden meines politischen Handelns (auch und gerade als Bürgermeister!).
Deswegen trage ich eine Zusammenarbeit mit diesen Kräften nicht mit. Ich wünsche mir eine SPD, die dies unmissverständlich klar macht und konsequent danach handelt - auch wenn das zu harten Auseinandersetzungen führt.
Ich hoffe, dass die SPD das bald wieder zeigt, damit ich sie mit ruhigem Gewissen unterstützen kann.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“. Diese beiden Zitate umreißen prägnant, worauf wir uns so oft berufen – die Werte unserer christlichen und humanistischen Prägung. Und gerade die Menschen, die immer wieder von der christlich, abendländischen Prägung sprechen, müssen ihre Sprache und ihr Tun genau auf diese Werte hinterfragen!
Ja, wir können nicht allen Menschen helfen. Ja, es gibt viele Probleme, die endlich gelöst werden müssen. Ja, manche Dinge müssen einmal deutlicher an- und ausgesprochen werden. Aber wir dürfen dabei nie die Werte verlieren, auf die wir eigentlich immer mit Stolz hinweisen. Wir sollten uns allen energisch entgegensetzen, die diese Werte verbal und aktiv mit Füßen treten.
Wir müssen die drängenden Probleme der Zukunft lösen. Nun beginnt die Phase, in der die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand eintreten und jährlich weit weniger Menschen ins arbeitsfähige Alter kommen. In den kommenden zehn Jahren werden rund 5 Mio. Arbeitskräfte fehlen. Auch wenn über die Digitalisierung eine massive Produktivitätssteigerung erreicht werden kann, wird diese Lücke nicht zu schließen sein. Und was machen wir, wir schieben Flüchtlinge ab, die einen Job gefunden haben (z.B. in der Gastronomie, Hotelgewerbe oder Pflege), die eine eigene Wohnung finanzieren, die Deutsch gelernt haben. Wir brauchen sofort ein vernünftiges Einwanderungsrecht in unseren Arbeitsmarkt.
Wir müssen beim Breitbandausbau endlich über schöne Ankündigungen hinaus kommen. Vor allem die ländlichen Räume benötigen wesentlich stärkere Unterstützung, damit sie interessante Lebens- und Arbeitsräume bleiben.
Es muss endlich mehr am Wohnungsmarkt geschehen. Hierzu zählt auch die Nutzbarmachung von Leerständen.
Die Pflege- und Erziehungsberufe müssen endlich so interessant gemacht werden, dass mehr Menschen dieses Berufsfeld als erstrebenswert halten. Hierzu zählt auch – aber nicht nur – die Bezahlung. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in diesen Bereichen eine große Herausforderung.
Die Polizei benötigt dringend mehr Personal, damit die Einhaltung geltender Gesetze auch wieder stärker kontrolliert werden kann. Da helfen weitere Befugnisse nur zu einem geringen Teil. Allerdings ist es auch wichtig, dass die Justiz ebenfalls besser ausgestattet wird, damit Vergehen auch tatsächlich geahndet werden.
Den Kommunen muss endlich deutlich mehr Geld in die Hand gegeben werden, damit sie ihre Infrastruktur in gutem Zustand halten können. Das kann aber nicht immer nur über Fördertöpfe geschehen, die mit langen und komplizierten Genehmigungsverfahren verbunden sind. Die finanzielle Grundausstattung muss verbessert werden.
Und ganz wichtig: Bürokratische Hürden müssen abgebaut werden! Es kann nicht sein, dass selbst kleine Projekte (5-stelliger Bereich) mit Genehmigungsverfahren von mehreren Jahren verbunden sind. Hier sind pragmatische Lösungen zu finden, damit Probleme schneller behoben werden können.
Die Liste ließe sich noch weiterführen. Und ja, wir müssen uns auch darum kümmern, dass Flüchtlinge, die keinen anerkannten Asylgrund haben, wieder in ihr Heimatland zurückkehren oder dass straffällige Flüchtlinge des Landes verwiesen werden. Verfolgt man die Medien, könnte man allerdings meinen, die weiter oben angesprochenen Herausforderungen gäbe es überhaupt nicht.
Wir müssen endlich damit aufhören, so zu tun, als gäbe es nur noch das Thema Flüchtlinge. Wir müssen uns endlich offen denen entgegenstellen, die so tun, als müssten wir nur die Flüchtlingszahlen reduzieren und damit wären alle Probleme gelöst!
Diejenigen, die dies suggerieren, wollen in Wirklichkeit die Probleme der Menschen überhaupt nicht lösen.
Nur ein Beispiel: Da spricht ein Vorstandsmitglied der AfD offen aus, dass das Rentensystem abgeschafft werden sollte. Das mag für Superreiche eine tolle Perspektive sein. Aber wie soll das die Altersvorsorge eines Normalverdieners sichern?
Ein weiteres Beispiel: Von AfD und Teilen der CSU werden Forderungen auf Beendigung des Schengensystems (offene Grenzen in Europa) erhoben. Bitte fragt mal bei Exportunternehmen nach, was das bedeuten würde! Jeder LKW würde an der Grenze im Stau stehen. Der wirtschaftliche Schaden wäre enorm. Zudem würde es viele Mrd. Euro Unkosten verursachen alle Grenzübergänge wieder mit Personal und Infrastruktur auszustatten. Menschen, die das fordern, haben auf keinen Fall die Arbeits- und Lebensbedingungen von Mitarbeitern in der Maschinenbau-, Fahrzeugbau-, Chemie- oder Tourismusbranche im Blick, denn diese Wirtschaftszweige würden massiv geschädigt.
Oder ein Blick nach Österreich: Dort wurde jüngst von der rechts-konservativen Regierung das Arbeitsrecht massiv beschnitten.
Wir dürfen uns nicht blenden lassen. Probleme löst man nicht, indem man Populisten hinterher läuft. Man muss zuhören und dann anpacken.
Ich hoffe, dass die SPD das wieder tut, wie sie es in ihrer Geschichte so oft getan hat. In einer Art und Weise, die unsere Werte verteidigt – Gerechtigkeit, Solidarität, Brüderlichkeit.
Das schließt die Zusammenarbeit mit Populisten aus!
Das wäre mein Appell!