Respekt zeigen im Umgang miteinander

26. Januar 2016

Im vergangenen Jahr habe ich mich schon einmal zu den Diskussionen rund um die ankommenden flüchtenden Menschen geäußert. Inzwischen hat sich die Situation keineswegs entspannt - im Gegenteil! Vor allem nach den Ereignissen in der Silvesternacht ist die Debatte noch stärker spannungsgeladen.

Als Gemeinderat und 2. Bürgermeister schaue ich natürlich mit einem besonderen Augenmerk auf die Situation im Ort.
Rund 75 Asylbewerber sind in Frammersbach untergebracht. In den knapp 1 ½ Jahren, seit diese Menschen hier sind, gab es keine schwerwiegenden Vorkommnisse. Dies ist neben den Flüchtlingen selbst vor allem den Ehrenamtlichen im Freundeskreis Asyl und den Verantwortlichen in der jeweiligen Unterbringung zu verdanken. Die Menschen sind zu einem gewissen Teil in Vereinen aktiv, unterstützen im gemeindlichen Bauhof, usw.
Durch die Unterbringung der Asylbewerber in unserer Gemeinde mussten bisher keinerlei Leistungen für die Bevölkerung eingeschränkt werden!

Aber natürlich kommt es zwischenmenschlich auch zu Missverständnissen und Problemen. Gerade für Menschen aus syrischen oder irakischen Großstädten ist das Leben bei uns auf dem Land teilweise im wahrsten Sinne des Wortes ein Kulturschock.

Die größere Anstrengung liegt jedoch noch vor uns. Inzwischen sind die Asylanträge mehrerer Familien positiv beschieden worden. Diese Menschen müssen aus der Erstunterbringung ausziehen und sich Wohnungen suchen. Aber vor allem gilt es nun diese Personen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das dürfte in unserer Region noch einigermaßen gut funktionieren, da Arbeitskräfte gesucht werden.

Was mich viel stärker aufwühlt ist, wie sich die allgemeine Diskussion in den letzten Wochen entwickelt hat. Viele Sorgen kann ich teilen. Es ist kaum zu schaffen, so viele Menschen in so kurzer Zeit in unsere Gesellschaft zu integrieren. Deswegen muss die Zahl der Flüchtlinge auch merklich reduziert werden.

Aber die Ängste, die in den letzten Wochen und Monaten geschürt werden, sind völlig überzogen. Der einmalige Zuzug von 1 Mio. Menschen überfordert unser Land nicht. In den vergangenen 70 Jahren sind mehrere Million Menschen nach Deutschland zugezogen. Ohne sie wären der Aufschwung und die Erarbeitung des jetzigen Lebensniveaus nicht möglich gewesen. Es hätte schlicht nicht ausreichend Arbeitskräfte gegeben.
Auch wenn das Zahlenstudium mühsam ist. Zur Versachlichung der Diskussion wäre ein Blick in die Bevölkerungsentwicklung und die Zuwanderungs- und Asylzahlen nicht verkehrt. Ohne massive Zuwanderung steuert dieses Land nicht nur auf einen gravierenden Fachkräftemangel sondern auch auf einen Kollaps der Sozialsysteme zu.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich möchte nicht die These aufstellen, dass die ankommenden Asylbewerber die Lösung dieses Problems seien. Aber eine erfolgreiche Integration der Menschen, die einen positiven Bescheid erhalten werden, kann helfen.

Spätestens in 2-3 Jahren werden die Wirtschaftsunternehmen den Druck auf die Politik deutlich erhöhen, wenn auf dem heimischen Arbeitsmarkt nicht mehr ausreichend Arbeitskräfte zu finden sind. Es werden natürlich Fachkräfte benötigt - aber nicht nur. Gerade in einigen Handwerksberufen ist man über jede Unterstützung dankbar. Deswegen glaube ich nicht, dass wir einen langfristigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen erleben werden.

Wesentlich anstrengender wird die soziale und gesellschaftliche Integration. Die Menschen, die momentan zu uns kommen, haben überwiegend eine völlig andere kulturelle und gesellschaftliche Prägung. Dessen muss man sich bewusst sein. Deswegen ist es auch immens wichtig den Ankommenden unsere Grundwerte und die Sprache zu vermitteln.
Dies schließt das geltende Rechtssystem mit ein! Die staatlichen Stellen sind gefordert Verstöße gegen geltendes Recht zu ahnden.

Hier kam es in den vergangenen Monaten zu Versäumnissen, die schnellstmöglich aufgearbeitet werden müssen. Es ist sicherzustellen, dass jeder ankommende Flüchtling registriert wird. Die Behörden müssen wissen, wer sich im Land befindet. Die Polizei oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge taugen hierbei nicht als Sündenböcke. Auch wenn es in Köln zu Fehlern in der Einsatzplanung und dem Vorgehen kam, so muss in erster Linie aber darauf hingewiesen werden, dass personell in den vergangenen Jahren zu stark ausgedünnt wurde.
Auch beim BAMF fehlt das Personal an allen Ecken und Enden. Beim Streben nach der „schwarzen Null“ wurde an der falschen Stelle gespart. Die Bürger dürfen nie den Eindruck erhalten, dass der Staat die Sicherheit seiner Einwohner nicht sicherstellen kann.

Das verlorene Vertrauen muss wieder hergestellt werden. Dazu sind allerdings keine neuen, zusätzlichen oder schärferen Gesetze notwendig. Wir brauchen ausreichend Personal bei der Strafverfolgung und funktionierendes Gerät. Reflexartig wurde wieder einmal eine stärkere Videoüberwachung gefordert. Vielleicht würde es der Polizei schon helfen, wenn sichergestellt wäre, dass die vorhandenen Kameras funktionieren und mit moderner Technik ausgestattet sind. Nicht zu vergessen: Richter, (Staats-) Anwälte, etc.

Ich habe nur die Befürchtung, dass die aktuelle Hysterie in der Diskussion vielen Beteiligten den Blick versperrt. Deswegen ausdrücklich der Hinweis, dass es hier nicht erst seit Silvester Defizite gibt. Das grundsätzliche Problem der fehlenden Personalstärke hat sich schon vor dem Ansteigen der Flüchtlingszahlen gezeigt. Auch sexuelle Übergriffe sind leider bei vielen Großveranstaltungen und Festen kein neues Phänomen. Was nichts daran ändert, dass solche Vorkommnisse aufgeklärt und bestraft werden müssen. Im Falle von Flüchtlingen muss bei härteren Straftaten die Abschiebung erfolgen. Wenn Herkunftsstaaten eine Wiederaufnahme verweigern, müssen finanzielle Konsequenzen erfolgen.

Lösen können wir die Probleme am Ende aber nur gemeinsam. Hierbei sind in der EU zunächst weitere Appelle an die Grundwerte gefordert. Sollten sich die übrigen Staaten aber weiterhin einer gemeinsamen Lösung verweigern, so müssen wir auch die Unterstützung dieser Staaten überdenken. Ich hoffe inständig, dass es eine gemeinsame europäische Lösung geben wird. Aber wenn dies nicht möglich sein sollte, muss klar sein, dass europäische Hilfen überdacht werden müssen! Dafür darf es kein Denkverbot geben.

Aber auch hier möchte ich darauf hinweisen, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Zu recht weißen Staaten, wie Griechenland, darauf hin, dass es sich die Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit mit dem Dublin-Abkommen viel zu einfach gemacht hat. Unsere Solidarität mit den wirtschaftlich angeschlagenen Staaten war in den vergangen beiden Jahren auch nicht sonderlich stark ausgeprägt. Außerdem dürfte denjenigen, die etwas von den wirtschaftlichen Zusammenhängen und Verflechtungen verstehen bewusst sein, dass ein Auseinanderbrechen Europas für die heimischen Unternehmen ein schwerer Schlag wäre. Alleine die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bedeuten erhebliche Mehrkosten für den Transport von Waren und Gütern. Zudem könnten Marktbeschränkungen die Ausgangslage deutscher Firmen verschlechtern. Für eine Exportwirtschaft sind das keine guten Aussichten – und die deutsche Wirtschaftsleistung ergibt sich zur Hälfte aus Exporten.

Nicht zuletzt bleibt die Frage, wie eine nationalstaatliche Lösung funktionieren soll? Wie eine Obergrenze sichergestellt werden soll? Die Grenze der Bundesrepublik Deutschland erstreckt sich auf über 3700 km! Sicher ist es möglich die offiziellen Zugangswegen (Straßen, Schiene, Flüsse, Flugverkehr) zu kontrollieren. Aber Menschen in Not werden sich nicht an diese Grenzen halten. Die DDR konnte sich nur mit einer Mauer (inkl. Wachtürmen und Schießanlagen) abschotten. Nur, wie soll das bei dieser Grenzlänge funktionieren? Und, würden wir ernsthaft auf flüchtende Menschen schießen, wie das nun allen ernstes einige Politker rechter Parteien fordern? Oder was machen wir, wenn wir festlegen sollten, dass maximal 200.000 Menschen aufgenommen werden und als Personen 200.001-200.004 eine Familie vor der Grenze steht, die vor IS-Terroristen geflohen sind?

Es ist einfach auf einem Marktplatz montagabends solche Lösungen in die Menge zu brüllen. Aber wenn man darüber ein bisschen nachdenkt wird man merken, dass es nicht realistisch ist.

Man kann der Kanzlerin und ihrer Regierung sicher einige Versäumnisse vorwerfen. Vor allem im Innenministerium hat man trotz deutlicher Hinweise ab Mitte 2014 die Lage völlig falsch eingeschätzt. Aber sie präsentiert wenigstens keine Scheinlösungen, deren Scheitern nach wenigen Monaten noch größeren Frust erzeugen. Leider wird es keine einfache Lösung geben. Die Kriege der letzten Jahrzehnte haben weite Teile der Erde destabilisiert. Die Ausbeutung der dritten Welt erzeugt Hunger und Not. Diese Kombination wird dafür sorgen, dass sich weiterhin Million Menschen auf der Flucht befinden, wenn dem nicht wirksam entgegengewirkt wird. Asyl für politisch Verfolgte kann nicht abgeschafft werden – zumindest nicht, wenn völkerrechtliche Vereinbarungen eingehalten werden sollen.

Aber wie z.B. mit Wirtschaftsflüchtlingen umgehen? Die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass Deutschland Zuzug benötigt. Weshalb wird nicht endlich ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz auf den Weg gebracht, dass den möglichen Zuzug regelt. Viele Staaten haben solche Gesetze. Dadurch könnte z.B. der Zuzug von einigen Hunderttausend Menschen geregelt werden, die sich in Deutschland bessere wirtschaftliche Chancen erhoffen. Die Bedingungen könnten klar geregelt werden. Und auch eine Obergrenze, die bei der Festlegung von dauerhafter Zuwanderung Sinn machen kann. Sobald diese erreicht wird, wäre auch klar, dass ein Antrag erst im Folgejahr wieder erfolgversprechend ist. Die tatsächlich politisch Verfolgte und von Krieg bedrohte Menschen erhalten Asyl.

Abschließend noch ein Wunsch zur Art und Weise wie aktuell diskutiert wird. Bitte lasst die Hetze! Sicher müssen einige Probleme deutlicher benannt werden als bisher. Aber nicht auf dem Rücken des Großteils der fliehenden Menschen, die tatsächlich schlimmes Leid hinter sich haben!

Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es in unserem Grundgesetz. Wir fordern völlig zurecht von den Menschen, die hier ankommen, dass sie sich an unsere Werte halten. Wir sollten es aber auch vorleben!

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