Respekt zeigen – nicht schweigen

30. Juli 2015

In den letzten Monaten habe ich mich zu überörtlichen und/oder gesellschaftlichen (politischen) Themen eher zurück gehalten. Mein Fokus lag bedingt durch die Bürgermeistervertretung auf Frammersbach. Die Geschehnisse in Freital und anderen Orten, die teilweise heftige Hetze gegenüber Flüchtlingen und andere Vorfälle beschäftigen mich aber sehr. Dazu möchte ich nicht schweigen.

Seit Jahren warnen diverse Gruppierungen vor Terroranschlägen, Überfremdung und Kriminalität in Zusammenhang mit steigenden Einwanderungs- und Flüchtlingszahlen. In der Tat ist in diesem Jahr in Deutschland ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen - schon über 200 Anschläge wurden verübt.

Ziel waren aber nicht Kirchen, deutsche Schulen, Gemeindezentren, usw. Nein, diese Übergriffe galten bezogenen oder geplanten Flüchtlingsunterkünften, Politikern und Freiwilligen, die Flüchtlinge unterstützen und nicht zuletzt den Flüchtlingen selbst.

Ich möchte die Situation nicht schön reden. Die steigende Zahl von Flüchtlingen stellt immer mehr Kommunen vor große Herausforderungen. In manchen Flüchtlingsunterkünften herrschen schlimme Zustände. Natürlich sind unter den Flüchtlingen auch Menschen dabei, die sich nicht an Recht und Ordnung halten. Und es kommt unter den verschiedenen Flüchtlingsgruppen auch zu Spannungen, die gelegentlich in Gewalt ausarten. Davor darf man die Augen nicht verschließen und muss dem nachgehen.

Wir dürfen aber nie aus dem Blick verlieren, weshalb diese Menschen zu uns fliehen und was sie schon hinter sich haben. Wer die Nachrichtensendungen verfolgt und nicht abschaltet, der weiß, was in Ländern wie etwa der Ukraine, Syrien, Iran, Afghanistan, usw. gerade geschieht. Ich erspare mir, hier Bilder von zerstörten Häusern, Bombenkratern, schwer verletzten oder toten Menschen einzufügen.
Sämtliche Nachrichtenmagazine transportieren täglich Tausende solcher Bilder. Wer die Augen vor diesen Geschehnissen und Zuständen in der Welt eben nicht verschließt, der weiß, weshalb momentan Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind.

Wir befinden uns in der glücklichen Lage und leben seit 70 Jahren in Frieden. Das hat sehr viel mit dem Entgegenkommen unserer europäischen Nachbarländer nach dem zweiten Weltkrieg und der Europäischen Union zu tun. Leider vergessen wir viel zu schnell, dass dies die mit Abstand wichtigste (und mit keinem Geld der Welt zu bezahlende) Errungenschaft der europäischen Gemeinschaft ist – Frieden!

Deutschland gehört zu den reichsten Nationen der Erde. Wir haben für unseren Wohlstand auch hart gearbeitet. Als Exportnation ist Deutschland aber wesentlich von Geschäften mit anderen Ländern abhängig. Das bezieht sich zum einen auf die Absatzmärkte für einheimische Produkte aber zum anderen auch auf möglichst preisgünstige Einfuhren von Rohstoffen (von denen die inländische Industrie hochgradig abhängig ist). Aber gerade diese internationalen Verflechtungen machen es notwendig, dass die Bundesrepublik zu anderen Staaten und Völkern gute Beziehungen pflegt. Eine Abschottung hätte verheerende Auswirkungen!

Nicht zuletzt darf man daran erinnern, dass es auch Zeiten gab, als Deutsche in anderen Ländern Zuflucht gesucht haben. Es gab Auswanderungswellen in die USA usw. um der Armut zu entgehen.
Aber wir müssen gar nicht so weit Blicken. Einige unserer Vorfahren versuchten der Armut zu entkommen und in Ungarn ein neues Leben aufzubauen. Heute freuen wir uns über jeden Besuch unserer Freunde aus Nadasch.

Es gäbe noch unzählige Argumente zu beleuchten. Ich möchte aber eher dazu anregen, sich selbst damit zu beschäftigen und den Blick über den Tellerrand zu öffnen.

Meiner Überzeugung nach teilen die meisten Menschen die Parolen nicht, welche momentan aus einigen Regionen Deutschlands zu vernehmen sind. Ich möchte aber auch dazu animieren, Respekt zu zeigen und nicht zu schweigen. Es hat schon viel zu lange gedauert, bis Künstler wie Til Schweiger oder Farin Urlaub eindeutig Farbe bekannt haben. Deutschland ist ein offenes und hilfsbereites Land.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es in unserem Grundgesetz. Dort wird bewusst nicht nach Nationen, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, sexueller Orientierung, usw. unterschieden. Alle Menschen sind gemeint.
Auf diesen wichtigsten und stärksten Satz unseres Grundgesetzes sollten wir uns besinnen und den ankommenden Flüchtlingen mit Menschlichkeit begegnen.

Abschließend möchte ich noch diesen starken Kommentar von Sascha Lobo ans Herz legen. Es gilt hier wehret den Anfängen. Auch Herr Lucke musste erkennen, dass er die Geister, die er rief, nicht mehr los wurde.

Ja, es gibt beim Thema Flüchtlinge auch Probleme. Aber lasst uns diese auf bewährte Weise mit Ruhe, Sorgfalt, Weitsicht und der notwendigen Menschlichkeit lösen.

Deutschland wurde vor zwei Jahren von Menschen verschiedenster Nationen zum beliebtesten Land gewählt. Lasst uns dieses gute Image nicht von ein paar Schreihälsen zerstören!

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