Bundesfamilienministerin Franziska Giffey schlägt ein Gesetz zur Stärkung der Demokratie vor. Ich finde, dies ist ein guter Ansatz. Vor allem im Bereich der Bildung müssen die Vermittlung von Demokratie, demokratischen Prozessen, Rechtsstaatlichkeit und sozialen Kompetenzen wieder einen breiteren Raum einnehmen.
In den vergangenen Jahren wurde meist darüber gesprochen, wie Stundenpläne entrümpelt werden können, wie den Kindern in kürzerer Schuldauer eine „Allgemeinbildung“ vermittelt werden kann.
Was dabei leider auf der Strecke bleibt: Die Kompetenz, das Zusammenleben zu gestalten.
Ein demokratischer Rechtsstaat kann sehr anstrengend sein. Selten gibt es simple und schnelle Problemlösungen.
Aus dem Bauch heraus hätte man sicher meist einen schnellen Lösungsansatz. In der Praxis werden dann aber scheinbar unzählige Abwägungen getroffen: Welche Auswirkungen hat eine Entscheidung auf die Anwohner oder auf die Umwelt? Gibt es vergleichbare Fälle oder ist es ein Präzedenzfall? Welche Auswirkung hat es auf die Zukunft? Etc…
Vereinfacht geht es darum, dass verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Das ist manchmal schwierig, manchmal langwierig, manchmal unbefriedigend. Es bewahrt auch nicht vor ungerechten Entscheidungen. Aber es ist unter dem Strich eben doch gerechter.
Um solche Zusammenhänge verstehen zu können, benötigt man ein ausgeprägtes Wissen darüber, wie unser Staat aufgebaut ist, wie das Zusammenspiel der verschiedenen Instanzen funktioniert und auch, was Gewaltenteilung bedeutet.
Das geht mit Kleinigkeiten los: Ich wohne an einer Ortsstraße mein Kumpel an einer Bundesstraße – wer ist jeweils Zuständig, wenn ich ein Schlagloch melden will?
Was auf den ersten Blick als völlig unwichtige Unterscheidung erscheint, ist in Wirklichkeit aber elementar wichtig. Es ist nämlich einfach „die Politik“ oder „den Staat“ für Probleme verantwortlich zu machen. Es muss aber auch an die richtige Stelle adressiert werden.
Man kann der Bundeskanzlerin Untätigkeit vorwerfen. Aber sie wird auch für Probleme verantwortlich gemacht, um die sie sich nicht kümmern kann – teilweise auch gar nicht darf.
Im übertragenen Sinne: Wenn sich die Gemeinde nicht um das Schlagloch in der Ortsstraße kümmert, dann bringt es nicht viel auf die Bundeskanzlerin zu schimpfen. Das ist ein Fall für eine Bürgermeistersprechstunde.
Natürlich ist dieses Beispiel extrem vereinfacht. Aber ich selbst stelle in Diskussionen immer wieder fest, dass solche Dinge nicht immer bekannt sind. Wir sind alle gefordert, Anspruch, Wunsch und Wirklichkeit wieder weiter zusammenzubringen.
Dazu zählt auch, dass handelnde Politiker oder Mitarbeiter von Behörden stärker auf Bedürfnisse der Bürger eingehen. Ich weiß es selbst aus eigenen Erfahrungen - Sprechstunden kosten Zeit, Kraft und in manchen Fällen auch Nerven. Aber sie bieten die Möglichkeit, dass man Probleme persönlich besprechen kann.
Alle Bürger sind gefordert, dieses Land aktiv zu gestalten. Hierzu gibt es einen gut ausgestatteten Werkzeugkasten. Ich fände es richtig, wenn wieder mehr Wert darauf gelegt wird, die Menschen über diese Werkzeuge und ihre Funktion zu informieren und zur Nutzung zu animieren.